kriegssommer 2022
das ist kein gedicht, allenfalls eine poetische untersuchung,
denn es wird noch gekämpft
ich aber möchte folgendes sagen:
ich wollte russland kennenlernen, oh ich wollt´ es so gern
jetzt lerne ich russland kennen – auf die harte tour
ich lerne russ:innen als mörder/ vergewaltiger & diebe kennen,
die ukrainisches getreide stehlen, landmaschinen auch & elektrischen strom,
die alles, was nicht niet- und nagelfest ist, ab nach russland transportiern
die ukrainische kinder nach russland verschleppen (erwachsene sowieso)
von solchen plünderungen erzählte schon meine großtante
sie lebte im osten, war berglerin, war bäuerin
& spielte nach getaner arbeit schön/gern auf ihrer zither
und sie hatte den holodomor erlebt:
die zwangskollektivierung & vernichtung der ukrainischen bauern
das war ende der 1920er/ anfang der 1930er jahre des letzten jahrhunderts,
damals setzten die sowjets hunger als waffe ein –
bis zu 7 mio menschen verhungerten damals (die wissenschaft streitet noch)
bauern/ intellektuelle/ künstler & oppositionelle fielen ihnen zum opfer
…die ukraine entnazifizieren – diese propaganda erscheint mir projektiv:
im anderen verfolgen, was man an sich selber verabscheut,
ein unbewusstes, verbotenes motiv in andere hinausverlegen
das nennt die psychologie projektion
der nazi, den präsident putin hasst wie die pest,
der wohnt in ihm selber
blitzkrieg/ vernichtungskrieg/ enthemmte mordlust –
der blutige schlächter im kreml mit seinen großmachtplänen,
ersetzt aus rache für erlittene kränkung (welche?)
völkerrecht durch das recht des stärkeren,
mit rubel & russischen pässen lässt er russifizieren, was das zeug hält –
was kommt noch vom bösen alten mann mit dem haifischgesicht?
ein atomarer supergau?
russland führt krieg, da sollte frau nicht über gefühle sprechen wollen
& schon garnicht über eros oder über sex – ich tu`s trotzdem
reden wir also über die liebe
(auch wenn das reden über waffen im moment bitter notwendig ist):
was passiert mit der liebe bei einem volk von unfreien?
„versorgend aber unfrei“ sei der östliche despotismus, so sagt man,
versorgt sind die russ:innen, gewiss, unfrei ebenfalls,
wen aber dürfen sie jetzt noch lieben?
alexandra kollontais vierzehn vorlesungen, die sie vor 100 jahren
vor bäuerinnen & arbeiterinnen in st.petersburg hielt,
sind diesbezüglich hochaktuell
wir erfahren, dass liebe freiheit braucht, um zu blühn
die liebe ist ein kind der freiheit weiß eine alte weisheit,
sonst regieren rache/ hass/ angst & gleichgültigkeit wie jetzt in russland
oder geht es um etwas ganz anderes?
geht es um den „männlichen staat“?
geht´s darum, russische gehirne so zu waschen,
dass frauen in politischen ämtern wieder „unnatürlich“ sind?
reden wir also von kleinen männern, die gern groß sein wolln
& vom latenten russischen minderwertigkeitsgefühl
auch davon, wie aus ehemaligen opfern täter werden,
über den hitler-stalin-pakt sollten wir ebenfalls reden
& darüber, dass wladimir putin es nicht erträgt,
dass sein brudervolk der ukrainer,
in sprache & kultur den russ:innen so nah verwandt,
anders sein will: divers, liebesfähig, demokratisch & frei
auch über große führer sollten wir reden,
die in die geschichtsbücher eingehen wolln,
denn mit führern kennen wir uns aus in deutschland
(deutsche frauen liebten hitler!)
es war ein blutiger, ein heißer sommer…
Der Krieg erfüllt eine hervorragende Entlastungsfunktion für das mit der Aggressivität verbundene Schuldgefühl des einzelnen. Er erlaubt diesem, seinen aggressiven Antrieben freien Lauf zu lassen, denn die offizielle Propaganda überzeugt ihn davon, daß nicht er, sondern der andere, der Feind, aggressiv, «böse» ist. Da die Stärke der individuellen Aggressivität in direktem Verhältnis zu der Menge der Frustrationen steht, der das Individuum in der Kindheit und im Erwachsenenalter ausgesetzt war, kann man behaupten, daß Gesellschaften, in denen die Humanisation am weitesten zurückgeblieben ist, die aggressivsten, kriegerischsten sein werden. Industrialisierung und Humanisation laufen also nicht parallel. Die nazistische und die stalinistische Industriegesellschaft regredierten auf ultra-archaische Formen der zwischenmenschlichen Beziehung und der Unterwerfung unter eine im Unbewussten auf «bösen» archaischen Mutterbildern basierenden Autorität. Dagegen ließe sich von einer primitiven Gesellschaft, deren unbewußte seelische Grundlagen gleichfalls dem archaisch-mütterlichen Typ zugehören, sagen, daß sie insofern auf einem sehr viel höheren Niveau steht, als in ihr das Individuum seine Aggressivität akzeptiert, sich zu seinem Schuldgefühl bekennt und beides nicht auf den Staat abwälzt…
(Gérard Mendel, Plädoyer für die Entkolonisierung des Kindes -Sozio-Psychoanalyse der Autorität, Paris 1971, S. 150)